Als ich neulich im Supermarkt an der Drehsäule meine Dosis Arztromane durchgelesen habe, dachte ich: Bücher kosten nun auch 99 Cent. Also nicht nur, aber auch. Also 8.99 € oder 12.99 € oder so. Bisher endeten Bücher auf 90 Pfennige, später Cent, aber seit Januar setzt ein einzelner, selbständiger Verlag Zeichen und führt die Rewe-Endung ein. Lübbe führt Bastei-Preise in den Buchhandel ein.
„Rewe“ sage ich deshalb, weil ich Buchhändlerinnen und Buchhändler höre, die sich durch diese 99-Centisierung unangenehm an Supermarktpreise erinnert fühlen. Obwohl man vier Cent mehr einnimmt, klingt das Buch gleich zwei Euro billiger. Aber das wiederum kommt beim Kunden gar nicht so schlecht an. Und immerhin – wenigstens fällt es den Kunden auf. So hat sich der Bastei-Verlag nun ein neues Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Vorerst. Bei Hoffmann & Campe habe ich auch schon 99-Ender gesehen zu durchaus edlen Themen, von Champagner bis Wolf Haas.
An der Quengelzone treffe ich Klaus Kluge, Geschäftsführer von Bastei. Kluge hat zu wenig Kleingeld über und wägt ab zwischen einem Kinderriegel und einem einzelnen Raffello. Ich sage absichtlich Bastei und nicht Lübbe, weil man mit der 99 auch symbolisch an die Wurzeln im Heftchenformat erinnern will. Ich frage ihn, wie es zu dieser Veränderung kam. Er sagt, vier Cent pro Buch seien bei 12,5 Millionen Büchern im Jahr gute 480.000 € zusätzlich. Das leuchtet mir ein. Das sind fast zwei Millionen Kinderriegel.
Dem Vorwurf des Imageschadens am Buch setzt Kluge entgegen, dass Bücher letztlich so etwas wie Lebensmittel seien. Eine App koste auch 1.99 und sei kein Ramsch, sagt er und legt seinen Warentrenner vor meine Erbsen.
Jetzt, wo der frühere Holtzbrinck-Player schon mal in einem entscheidungsraschen Privatverlag arbeitet, kann er auch drollige Ideen umsetzen wie z.B. „Säulen der Erde“ auf 12.99 € anzuheben. Wobei die Lager gespalten sind in jene, die die 99 wahrnehmen, und die, die eher über die Zahl vor dem Komma staunen.
Dass es eher die Buchhändler sind als die Endkunden, die hier gerne die Nase rümpfen, ist purer Herdentrieb. Wir sind von Beruf traurig, wenn wir keinen Goethe und keinen Kleist verkaufen, aber für ein paar Euro 99 wollen wir das auch wieder nicht gerne tun. Obwohl es ja gerade die Balance von Qualität und Discount war, womit Reclam und Hamburger Lesehefte ihre Tiefpreise salonfähig machten. Bastei hat eben die andere Art von Klassikern. Sei Jerry Cotton mein Voltaire und John Sinclair mein Novalis. (Und Fleisch ist mein Gemüse, aber das liegt an Kluges falsch platziertem Warentrenner.)
Aber während diese Debatte branchenhermetisch bleibt, reicht der Bastei-Vertrieb in viele Nebenmärkte hinein. Via Preisgestaltung ist der Artikel Buch nun ein klein wenig mehr mit der Alltagswelt außerhalb des Buchhandels verwachsen. Daran lässt sich allemal mehr verdienen als vier Cent.
Und jetzt kaufe ich Kluge seinen Kinderriegel, damit das endlich mal vorwärts geht hier.